10 Tipps für Autoren & Selfpublisher

Schon wieder ein Ratgeber? Könnte man meinen. Das Internet ist voll von Tipps und Tricks, eine riesige Coaching-Welle überflutet uns mit Informationen wie ein Tsunami. Gefährliches Halbwissen verbreitet sich wie ein Grippevirus, selbsternannte Spezialisten gibt es mittlerweile wie Sand am Meer. Zahlreiche Studiengemeinschaften bieten Fernkurse an und deklarieren diese als „Autoren-Studium“. Blauäugig zahlen viele hochmotiviert den Preis eines Gebrauchtwagens und glauben nach zwei Jahren an der „Uni“, sie hätten tatsächlich einen verwertbaren Abschluss in … Ja, worin eigentlich?

 

Kann man Schreiben tatsächlich lernen? 

 

Die Praxis zeigt, dass zahlreiche vor allem junge Sprachschaffende sich allzu oft der Hoffnung hingeben, sie würden über Nacht zum Superstar avancieren. Communities schießen wie Pilze aus dem Boden, als wäre das Verfassen von Texten ein gemeinschaftlicher Kochkurs. Fragwürdige Schreibmarathons lassen die Kunst des Schreibens zur Fließbandarbeit verkommen. Immer weniger geht es um Inhalte, Substanz und die Schönheit der Satzkreation. Ist dies noch jene Kunst im Geiste der großen Dichter und Denker?

 

Delikatessen statt Fastfood!

 

Wer glaubt, dass nicht Klasse, sondern Masse das Geheimnis schriftstellerischen Erfolgs darstellt, wer seine Erfüllung im Networking, dem Zählen von Klicks und Rezensionen findet, der ist bei mir definitiv falsch und sollte lieber Buchhalter oder Unternehmensberater werden. Die Sprache ist das höchste Gut der Menschheit, der Buchdruck das Sinnbild der Zivilisation. Mein Schaffen als Lektorin, mein Know-how aus über fünfundzwanzig Jahren Berufspraxis und meine Erfahrungen als passionierte Autorin und Ghostwriterin widme ich deshalb gern all jenen, die mit mir die Leidenschaft des Schreibens teilen, die Texte quasi mit ihrem Herzblut schreiben, die wissen, dass Kunst von Können kommt, das Schreiben tatsächlich ein Handwerk, die Sprache eine Wissenschaft ist.

 

"Wenn ein Schriftsteller sich jederzeit der Macht bewußt wäre, die in seine Hand gegeben ist, würde ein ungeheures Verantwortlichkeitsgefühl ihn eher lähmen als beflügeln. Auch das Bescheidenste, was er veröffentlicht, ist Same, den er streut und der in anderen Seelen aufgeht, je nach seiner Art."

Christian Morgenstern  

 

Nun ist es auch mir bisher nicht vergönnt gewesen, am Stein der Weisen zu lecken. Dennoch kann ich behaupten, über gewisse Fähigkeiten und Kenntnisse zu verfügen, die dir vielleicht noch fehlen. Aus meinen Erfahrungen der letzten Jahre werde ich in den nächsten Wochen die folgenden zehn Punkte zusammentragen. Natürlich freue ich mich, wenn dir der eine oder andere Tipp weiterhilft.  

1. Deine Stärken

Kaum jemand von uns weiß auf Anhieb, worin seine Stärken liegen, was sein wahres Talent ist. Grundsätzlich sind wir darauf trainiert, nur die Schwächen in uns zu erkennen. Für eine umfassende und ehrliche Selbsteinschätzung sind natürlich beide Attribute wichtig, zumal man manchmal aus der Not eine Tugend machen kann. Mir macht beispielsweise meine ausgeprägte Intuition bisweilen zu schaffen. Ich nehme Gefühle und Zusammenhänge unbewusst viel tiefer wahr als viele meiner Mitmenschen. Glaub mir, das ist Fluch und Segen zugleich. Nicht immer ist die Wahrheit willkommen, vor allem dann nicht, wenn sie schonungslos ausgesprochen wird. Im Schreiben aber auch im Überarbeiten von Texten habe ich ein Ventil gefunden, meine vermeintliche Schwäche in eine Stärke zu verwandeln.

 

Wo liegen deine Stärken oder auch Schwächen - bezogen auf das Schreiben? Je eher du herausfindest, was du wirklich gut kannst, desto schneller wirst du deinen Weg als Autor/in finden. Denn es macht wenig Sinn, für ewig im Probier-Stadium festzuhängen.

 

Finde heraus, wer du bist. Dann weißt du auch, worüber du schreiben kannst.

 

Nur, weil gerade das Fantasy-Genre groß in Mode ist, bedeutet das noch lange nicht, dass auch du magische Fähigkeiten besitzt. Nur, weil du gerne Thriller liest, musst du noch längst nicht das Talent haben, selbst welche zu schreiben. Vielleicht liegen deine Stärken ganz woanders! Ich glaube, dass sich der Schreibstil eines Autors in seinem Charakter, seiner Persönlichkeit wiederfindet.

 

  • Bist du ein pragmatischer Mensch, der gern Situationen beschreibt, dann solltest du Drehbuchautor werden.
  • Verfügst du über eine schier grenzenlose Fantasie, dann widme dich diesem Genre.
  • Macht es dir Freude, Spannungsbögen zu kreieren und in die Psyche eines Menschen abzutauchen, dann könntest du erfolgreich Thriller schreiben.
  • Reizt dich das Morbide, die dunkle Seite der menschlichen Seele, könnte dir das Verfassen von Horrorgeschichten liegen.
  • Bist du ein Fan der Strategie, findest du deine Erfüllung im Zusammensetzen von Puzzle-Teilen, dann solltest du Krimis schreiben.
  • Interessierst du dich für Geschichte, liegt deine Bestimmung gegebenenfalls im Schreiben historischer Romane. Die richtige Sprache – passend zur jeweiligen Epoche - ist hier jedoch unabdingbar.
  • Beobachtest du gern dein Umfeld, analysierst du das aktuelle Geschehen, interessierst du dich für Politik und Gesellschaft, dann bist du sehr wahrscheinlich in der zeitgenössischen Literatur bestens aufgehoben.
  • Reihst du gern Fakten aneinander und möchtest andere an deinen Erfahrungen teilhaben lassen, könntest du im Sachbuch-Genre Erfolg haben.

 

Vorsicht, Schublade!

 

Möchtest du in eine Schublade gesteckt werden? Manche fühlen sich darin wohl, für andere ist es wiederum ein Graus. Als ich in einem Interview die Bezeichnung „Krimi-Autorin“ gelesen habe, war ich zuerst entzückt, dann wurde mir mulmig. Wenn du dich für ein Genre ganz besonders begeisterst, dann bleib dabei. In der Regel sind wir in den Dingen am besten, die uns am meisten interessieren. Möchtest du dich lieber ausprobieren, dann ist das natürlich nicht verkehrt. Vielleicht bist du auch so wissbegierig und vielseitig, dass du in keine Schublade passt und auch gar nicht passen möchtest. Manchmal können sich bestimmte Genres auch vereinen. Jedoch sollte die Schnittmenge nicht nur das Schreiben sein, sondern vielmehr eine Message oder ein bestimmtes Thema. In einem Kriminalroman können sich zum Beispiel historische Elemente wiederfinden, in einem Thriller gesellschaftliche oder ökologische Aspekte.

 

Mir persönlich ist ein Genre zu wenig, was sicherlich auch daran liegt, dass ich in der glücklichen Situation bin, mit dem Schreiben mein Geld zu verdienen. Als Ghostwriterin habe ich bereits mehrere Sachbücher verfasst, die sich derzeit besser verkaufen als mein Roman. Dennoch liegen mir sowohl die Gesellschaftskritik als auch das breite Spektrum der Fantasy am Herzen, der blumige Schreibstil und die Metaphorik bereiten mir mehr Freude als die Aneinanderreihung von Wissen.

 

Du siehst also, dass es nicht so einfach ist, seinen Weg als Autor/in zu finden. Wenn du noch ganz am Anfang stehst, darfst du dich also darauf freuen, mit dem Schreiben vor allem dich selbst besser kennenzulernen und in der Praxis so viel über dich und dein Schaffen zu erfahren, was dir niemand sonst beibringen kann.

2. Regeln und Strategien

Insofern beantwortet sich die Frage, ob man das Schreiben lernen kann, fast von selbst. Man wird nicht über Nacht Autor. Wenn du wirklich Talent hast, dann steckt es in dir, seit du auf der Welt bist. Wann diese besondere Fähigkeit ans Licht kommt, steht jedoch auf einem anderen Blatt Papier. Manch einer schreibt seit Kindertagen, andere wiederum entdecken ihre Leidenschaft erst im Rentenalter. So oder so ist und bleibt das Schreiben ein Prozess, in dem sich deine Anlagen nach und nach entfalten. Über Tempo und Qualität bestimmst du allein. Solltest du grundsätzlich ein Mensch sein, der neben der Kreativität auch Struktur und ein gewisses Faible für Regeln im Blut hat, dann bist du klar im Vorteil. Wer sich hingegen schon vor der Veröffentlichung seines ersten Buches aufführt wie eine Diva, dem ist nicht mehr zu helfen.

 

Schreiben ist Handwerk.

 

Gerade als Selfpublisher bist du quasi die eierlegende Wollmilchsau. Interessierst du dich nur für einen Teil dieses mannigfaltigen Aufgabengebietes, wirst du es nicht weit bringen. Es hilft kaum, sich zahlreiche Ratgeber zu kaufen und alle paar Wochen seine Strategie zu wechseln, nur weil gerade wieder irgendetwas Supertolles bei Facebook gepostet wurde. Die besten Tipps nützen nichts, wenn du dich nicht mit dem Wesentlichen auseinandersetzt. Dazu zählt beim Schreiben in erster Linie: Rechtsschreibung, Grammatik, Sprachstil, Textverarbeitung. Siehst du keine Notwendigkeit, mit Duden und Lexika zu arbeiten, hast du keine Lust, dich mit Absatz- und Dateiformaten zu befassen, sind dir Synonyme, Aphorismen, Metaphern und stilistische Mittel im Allgemeinen kein Begriff, dann hast du zwei Möglichkeiten. Du kannst dich für dein Handwerk interessieren und all das lernen oder dich abhängig und mitunter sogar lächerlich machen. Es gibt Autoren, die noch an ihrem ersten Roman schreiben und schon in den Netzwerken damit prahlen, dass ihr Team sich um die „Belanglosigkeiten“ kümmert. Sich ein Netzwerk aufzubauen und nach Hilfe zu fragen, ist keine Schande. Dennoch solltest du die Grundlagen selbst beherrschen. Denn es ist gelinde gesagt keine gute Werbung, wenn ein Selfpublisher seine Ahnungslosigkeit herausposaunt, indem er im Netz darüber berichtet, seine E-Book-Fassung mit manueller Silbentrennung aufzupeppen.

 

Auch kannst du deine Zeit damit vertrödeln, Schreibtipps zu sammeln und zahlreiche Workshops zu besuchen. Vielleicht hast du dich bereits diversen Communities angeschlossen, in denen allesamt viel geredet, aber wenig gesagt wird. Natürlich kann man sich mit anderen Schreiberlingen austauschen, sich gegenseitig motivieren, voneinander partizipieren. Die Frage ist nur: Willst du schreiben oder netzwerkeln?

 

Wer nach allen Seiten offen ist, kann nicht ganz dicht sein

 

Aus eigener Erfahrung weiß ich, dass die Ideen nur so sprudeln, hat man sich erst einmal für das Schreiben entschieden. In kürzester Zeit hast du diverse Buchentwürfe im Kopf, Projekte entwickeln sich fast von allein. Doch was bringt es dir, zwanzig unvollendete Manuskripte in der Schublade zu haben? Irgendwann möchtest du wissen, ob du wirklich Talent hast und was die Welt dort draußen zu deinem Schaffen sagt. Das ist mehr als verständlich. Genau deshalb solltest du dich konzentrieren und deinen Fokus auf genau eine Idee legen. Verschwende deine Zeit nicht, indem du auf vielen Hochzeiten tanzt. Tanz auf deiner eigenen! Widme all deine Energie und deine Leidenschaft dem Schreiben deines Buches. Denn dafür hattest du dich schließlich irgendwann einmal entschieden.

 

Hör auf deinen Kopf und dein Herz, es sind deine wahren Kameraden. Denn beim Schreiben bist du allein.

 

3. Die Rohfassung

In vielen Beiträgen, Blogs und Ratgebern ist immer wieder die Rede davon, dass man einen Plan haben muss und ein Ziel. Das mag für das „richtige“ Leben durchaus zutreffen, in dem Planlosigkeit und mangelnde Zielstrebigkeit nicht unbedingt die Attribute sind, welche Erfolg bedeuten. Aber gilt dies auch für die Kunst? Natürlich kann man das Schreiben als stringent geplantes Management betrachten. Doch wo bleibt dann der freie Geist, die Muse? Zu jeder Art von Fiktion bedarf es Fantasie, die Autoren bekanntlich immer bei sich tragen. Und doch ist die Kunst des Schreibens nichts, was per Knopfdruck funktioniert. Belletristische Texte sind keine mathematischen Gleichungen, die man jederzeit lieblos niederschreiben kann oder muss.

 

Ein Roman sollte immer die kreative Summe liebevoll formulierter Worte sein, die mit Bedacht und Sorgfalt ausgesucht wurden.

 

Insofern kann und darf das Schreiben keinem strengen Zeitplan unterliegen. Denn die Kunst im Allgemeinen folgt nur einem Takt, dem unseres Herzens. Kurzum: Wer sich unbedingt an einem Plan festklammern muss, um nicht ins Nirwana abzudriften, der kann dies selbstredend tun. All jenen, die nur dann schreiben, wenn sie die Muse küsst, weil die Ideen raus müssen oder weil sie einfach Lust dazu haben, sei gesagt: Habt kein schlechtes Gewissen, weil ihr kein straffes Zeitmanagement habt und die Veröffentlichung sich eben noch etwas hinzieht. Na und? Als Selfpublisher musst du nicht verkrampft irgendetwas zusammenschreiben, nur um die Deadline einzuhalten.

 

Genieß das Schreiben und betrachte es als das, was es ist: Kunst.

 

Es ist auch völlig unerheblich, wie du ein Buch schreibst. Auch hierfür gibt es mittlerweile zahlreiche Coachings. Ich frage mich nur: Wie viele namhafte Autoren haben jemals ein Seminar „Wie schreibe ich richtig“ besucht? Genau! Deren Anzahl dürfte mehr als übersichtlich sein. Dabei haben insbesondere zeitgenössische Sprachschaffende viel um die Ohren und sitzen längst nicht mehr in der einsamen Holzhütte mitten im Nirgendwo. Da ist die Familie, Kinder, Alltagsstress … und natürlich der Druck, den wir uns selbst machen.

 

Im Frühjahr 2014 schickte ich diverse Buchideen an verschiedene Verlage, um von den Profis zu erfahren, ob ich überhaupt Talent besitze. Gleich vier Antworten flatterten kurze Zeit später ins Haus - mit der herzlichen Bitte um Zusendung eines vollständigen Exposés oder Manuskriptes von „KLIPP KLAPP und die bist tot“. Das Problem dabei war, dass es seinerzeit gerade mal eine Idee gab. Außerdem steckte ich knietief im Aufbau meiner Firma DIE TEXTWERKSTATT, unser Sohn kam in die Pubertät, mein Mann hatte jede Menge zu tun. Und ich? Ich war so überwältigt vom Interesse gleich mehrerer Verlage, dass ich nicht mehr schlafen konnte. Noch bevor die ersten Kapitel verfasst waren, hatte ich eine tolle Idee für das Finale. Natürlich mitten in der Nacht. Also stand ich auf, schlich mich an meinen PC und schrieb, bis mein Sohn in die Schule musste. Obwohl hochmotiviert, war ich nach einigen Wochen genervt, fühlte mich ausgelaugt und kaum fähig, auch nur eine Zeile zu schreiben. Ich setzte mich selbst so unter Druck, dass an Kreativität nicht mehr zu denken war. Dabei sollte alles so wunderbar werden, und das möglichst schnell. Da stand ich nun also: zwischen Businessplan, Kundenakquise, Haushalt, Elternabenden und der Vision, Autorin zu werden …

 

Kennst du dieses Gefühl? Jeder von uns steckt in seinem ganz persönlichen Chaos und jeder geht anders damit um. Ich erklärte meinem Mann, dass ich diese Chance jetzt nutzen müsse, buchte kurzerhand ein kleines Ferienhaus und fuhr nur wenige Tage später an die Ostsee. Nach einem langen Spaziergang am Meer kam die Kreativität zurück. In dieser Woche erarbeitete ich den gesamten Plot für „KLIPP KLAPP und du bist tot“ und verfasste den kompletten Hauptteil. Als ich nach Hause fuhr, hatte ich über 80 Seiten und ein Gedicht geschrieben. Und das alles ohne Coaching, Schreibwerkstatt oder den Austausch bei Facebook & Co. Hätte ich meine Zeit damit vergeudet, in den sozialen Netzwerken über meine Ziele, Strategien und Vorhaben zu berichten, wäre ich sicherlich nicht so weit gekommen. Erst am letzten Tag meines Schreibexils berichtete ich davon, was ich geschafft hatte.

 

„Prahl nicht heute: Morgen will dieses oder das ich tun! Schweige doch bis morgen still, sage dann: Das tat ich nun!“

Friedrich Rückert, deutscher Schriftsteller (1788 - 1866)

 

Heute weiß ich, dass ein solches Schreibexil wahre Wunder vollbringen kann. Im letzten Sommer drängte die Deadline für ein Sachbuch, das ich für einen Auftraggeber schreiben sollte. Also buchte ich mir ein Zimmer j.w.d. (für Nichtberliner: janz weit draußen), konzentrierte mich ausnahmslos auf das Schreiben und konnte so meinen Abgabetermin pünktlich einhalten. Was ich damit sagen will: Wenn der Druck zu groß wird und die Kreativität nicht auf Knopfdruck funktioniert, dann schaffe dir Rahmenbedingungen jenseits des Alltags und konzentriere dich auf dein Vorhaben.

 

Beim Schreiben zählt nicht der Plan, also das WIE und WO, sondern nur das Ergebnis

 

Wie, wo und wann du schreibst, ist also ziemlich egal. Wichtig ist meines Erachtens nur, dass du dir eine Umgebung schaffst, in der du schreiben KANNST. Wenn du starren Vorgaben folgen möchtest und dich für Schreibregeln und Pläne interessierst, dann tu es. Ansonsten folge einfach deinem Drang, eine gute Geschichte zu kreieren. Joanne K. Rowling nutzte beispielsweise die Schlafzeiten ihres Kindes, brachte ihre Ideen zu „Harry Potter“ mangels Laptop handschriftlich zu Papier und tippte diese anschließend auf einer Schreibmaschine ab. Es ist also nicht ausschlaggebend, wie teuer und exklusiv deine Technik ist und unter welchen Umständen du dein Buch verfasst. Denn auch das beste Schreibprogramm nützt nichts, wenn du dir nicht die Ruhe gönnst, die es braucht, ein gutes Buch zu schreiben.

 

Der Erfolg eines Autors bemisst sich nicht an der Qualität seines Equipments

 

Wenn du im Alltag festsitzt und kein Geld hast, dir von Zeit zu Zeit ein Ferienhaus oder Hotelzimmer zu mieten, dann könntest du beispielsweise die Wohnung von Freunden oder Familienangehörigen nutzen, wenn diese im Urlaub sind. Ungefähr ein Drittel des ersten Bandes meiner MondZauber-Tetralogie habe ich im Gartenhäuschen meiner Schwester geschrieben, als diese in Tunesien am Strand lag. Nebenbei versorgte ich die Katzen und genoss dafür den Luxus des Alleinseins. Manchmal hilft es auch schon, sich ein Wochenende lang zu Hause zu verkriechen und sich vom Rest der Welt abzustöpseln … im wahrsten Sinne: Smartphone, Tablet, Fernseher und am besten WLAN-Verbindung ausschalten. Das klappt. Wirklich! :-)

 

Auch über das Plotten einer Geschichte und das Verfassen der Rohfassung gibt es zahlreiche Tipps und Strategien. Die einzige, die für mich maßgeblich ist:

 

Lass deinen Gedanken freien Lauf!

 

Wenn du dich unter Druck setzt, soundso viele Wörter in einem bestimmten Zeitraum schreiben zu MÜSSEN, kannst du das selbstverständlich tun. Ich persönlich halte davon gar nichts. Denn es ist nicht die Quantität, die ein gutes Buch ausmacht. Abgesehen davon genieße ich das Schreiben und bin nicht auf der Flucht. Und trotzdem kann die Realität manchmal hartnäckig sein. Wenn meine Gedanken dann blockiert sind, mache ich einen Spaziergang, höre meine Lieblingsmusik und bringe mich emotional zurück in meine Geschichte. Manchmal suche ich mir ein ruhiges Plätzchen und schreibe in mein Notizbuch all das, was mir gerade im Kopf herumschwirrt. Nicht alles davon ist später brauchbar. Aber stört das irgendjemanden?

 

Deine Gedanken, deine Kreativität unterliegen keiner Norm, keiner Zensur

 

Und deshalb solltest du dich auch in Bezug auf deine Rohfassung von dem Irrglauben befreien, alles nach eisernem Reglement oder irgendeinem aktuellen Ratgeber absolvieren zu müssen. Beim Verfassen der Rohfassung solltest du nur für dich sein. Tauche ab in deine Geschichte und schreibe einfach drauf los. Formuliere deine Ideen, beschreibe die Gefühle deiner Protagonisten, stricke Handlungsstränge, errichte Spannungsbögen und sei glücklich, dass es dir vergönnt ist, all dies ausdrücken zu können und zu dürfen.

 

Bei der Rohfassung zählt weder Reihenfolge, noch Umfang oder Qualität, denn es ist deine Geschichte

 

In dieser Phase des Schreibens geht es ausschließlich darum, deine Story zu skizzieren. Dabei solltest du nicht daran denken, ob sie jemandem gefällt, sich gut verkauft oder wie viele Tippfehler enthalten sind. Wenn dir im Bus oder der Bahn, auf der Wiese oder in der Badewanne eine Idee kommt, dann notiere sie. Notfalls auf einem alten Kassenzettel oder was du sonst zur Hand hast. Schreibe einfach alles auf, was dir einfällt – wo, wie und wann, ist völlig egal. Die Rohfassung eines Buches vergleiche ich gern mit einer Kohle- oder Bleistiftzeichnung. Kaum ein Maler setzt sofort den Pinsel auf die Leinwand. Die Ideen für ein Gemälde werden auch hier im Vorfeld in einem Skizzenblock festgehalten. Halte dich also bei der Rohfassung an eine grobe Skizze, die Farben respektive Adjektive kommen später. 

 

4. Die Recherche

In welchem Stadium des Schreibens du recherchierst, bleibt allein dir überlassen. Um deinen ersten Schreibdrang nicht zu unterbrechen, könntest du nach der Fertigstellung deiner Rohfassung damit beginnen, die Lücken in deinem Text mit den nötigen Informationen aufzufüllen. Andererseits ist es auch schon im Vorfeld wichtig, einige Punkte zu recherchieren, sonst passt im Nachhinein vielleicht deine komplette Story nicht mehr. Insofern solltest du die Recherche - je nach Genre und Umfang deiner Buch-Idee - durchaus in den Schreibprozess einfließen lassen. Jedoch hat es sich für mich bewährt, sie vom direkten Schreiben zu lösen. Das Hin und Her lenkt dich sonst zu sehr ab. Erstell dir eine digitale Stoffsammlung und speichere alles ab, was dir im Internet etc. in die Hände fällt. So kannst du jederzeit in deinem ganz eigenen Archiv nachschlagen und vertrödelst nicht wertvolle Zeit mit der Suche nach irgendeiner Seite, die du irgendwann mal gefunden, aber nicht gesichert hast. 

 

Erstell dir eine Stoffsammlung und speichere alles, was dir in die Hände fällt

 

Und denke immer an deinen Notizblock! Denn auch hier gilt: Schreibe all das auf, was dir durch den Kopf schwirrt. Ich nehme mir für jeden Protagonisten eine leere Seite und skizziere bestimmte Charaktereigenschaften, einen groben Lebenslauf und notiere mir Stichpunkte für den Handlungsstrang. Dabei tauchen Fragen auf, die ich dann separat recherchiere. Beispielsweise ist die Protagonistin meiner MondZauber-Reihe erst achtzehn Jahre alt. Welche Klamotten trägt dieses Mädchen, welche Musik und Filme sind in der Altersgruppe gerade angesagt? Welche Sprache sprechen Menschen in diesem Alter? Ob nun während der Suche im Netz oder im Gespräch mit jemandem, der sich mit der Materie auskennt: mein Notizbuch ist immer dabei. Hier kann ich alle Informationen zusammentragen und jederzeit abrufen. 

 

Wichtig ist nur, dass du alle Fakten für dein Buch sorgfältig und ausführlich zusammenträgst

 

Eine Regel beim Schreiben besagt: Schreibe nur über das, was du kennst und weißt. Das stimmt meiner Meinung nach nur zu einem gewissen Teil. Natürlich ist es ratsam, beispielsweise nur über Irland zu schreiben, wenn man auch schon einmal dort gewesen ist. Die grünen Weiten, die raue See, die Menschen und die einzigartige Spiritualität, welche von diesem wunderschönen, mystischen Fleckchen Erde ausgeht, muss man einfach erlebt haben. Aber auch jeder andere Ort der Welt hat seine ganz eigene Geschichte, Spezialität und Eigenheit. Wenn du zum Beispiel deine Geschichte in Amerika spielen lässt und nicht genug über Land und Leute weißt, kann es schnell peinlich werden. Aufmerksamen Lesern fällt auf, dass der durchschnittliche Amerikaner keine Wurstbrötchen zum Frühstück isst und ein belegten Brot dort Sandwich heißt.

 

Du solltest bestenfalls während oder sogar vor dem Verfassen der Rohfassung daran denken, wie viel du bereits weißt und was du in der Lage bist, an Wissen zusammenzutragen. Als ich an meinem Krimi schrieb, verfügte ich über ein gefährliches Halbwissen in punkto Polizeiarbeit und Rechtsmedizin, das ich bis dato nur aus dem Fernsehen hatte. Doch das reichte mir nicht. Ich erzählte einigen ausgesuchten Mitmenschen von meiner Buch-Idee und hatte das große Glück, einen Kriminalbeamten in meinem Freundeskreis zu haben und eine pensionierte Kommissarin kennenzulernen. Aus diesen Kontakten entwickelte sich ein wahrer Schatz an praktischem Wissen, das ich so niemals im Internet gefunden hätte. Also stellte ich Fragelisten über Dienstzeiten, Fachbegriffe bis hin zum Kaliber der Dienstwaffen zusammen, besuchte in Henningsdorf die Polizeiwache, unterhielt mich dort mit einer Polizistin und einem Kommissar, durfte sogar eine schusssichere Weste anprobieren und den Zellentrakt besichtigen. Mehrere Wochen lang beschäftigte ich mich mit Dienstgraden, Dienstplänen, Ausbildungsmöglichkeiten, der praktischen Polizeiarbeit in Berlin und Brandenburg sowie dem Ermittlungsalltag zu Zeiten vor dem Mauerfall. Dazu führte ich unter anderem ein sehr interessantes Gespräch mit einem ehemaligen MUK-Beamten aus Brandenburg (heute KTU).

 

Im Sommer 2014 verbrachte ich mehrere Tage mit der Recherche über Todesarten. Erst dann wusste ich, wie mein Opfer sterben würde. Im Internet sowie der entsprechenden Fachliteratur fand ich zahlreiche Informationen über die Ermittlung des Todeszeitpunkts, Arbeitsweise und finanzielle Mittel der Rechtsmedizin, aber auch Berichte und Bilder des Brandenburgischen Landesinstituts für Rechtsmedizin in Potsdam sowie dessen Institutsdirektor Dr. med. Jörg Semmler. Nachdem ich seitenweise Fakten zusammengetragen hatte, war ich in der Lage, den Alltag der Rechtsmedizin so präzise wie möglich wiederzugeben. Die entsprechenden Passagen schickte ich Dr. Semmler per E-Mail und erhielt prompt die Antwort, dass ich alles tadellos beschrieben und für einen Krimi außerordentlich gut recherchiert hätte.

 

Interessiere dich intensiv für das, worüber du schreibst!

 

Nun gebe ich gern zu, dass ich eine Pedantin bin und mich grundsätzlich für alles interessiere. Fakt ist aber auch, dass neben deinem Talent vor allem deine gründliche Recherche darüber entscheidet, ob dein Buch erfolgreich wird oder nicht. So könnte eine negative Rezension, in der sich über mangelhafte Fakten und falsche Beschreibungen beschwert wird, durchaus der Todesstoß für deinen Roman bedeuten. Und wenn du glaubst, dass beispielsweise im Fantasy-Bereich alles frei erfunden sein darf, dann hast du nicht mit den Fans dieses Genres gerechnet, die mitunter ganze Doktorarbeiten über das Thema verfassen könnten. Und nicht alles davon wäre übrigens an den berühmten Haaren herbeigezogen, sondern gründet sich bisweilen auf alte Mythen oder gar historische Hintergründe. Es liegt also selbst in der Fiktion zumindest ein Fünkchen Wahrheit. Daran solltest du immer denken.

 

Seit ich die Idee hatte, über Gestaltwandler und Hexen zu schreiben, habe ich unzählige Stunden damit verbracht, alles Mögliche über diverse Mythologien, Hexenverfolgungen, magische Wesen, Amulette und dergleichen zu erfahren. Mein Neffe und die Nichte einer Freundin verschafften mir Zutritt zu meiner potenziellen Zielgruppe, ich lernte viel über aktuelle Trends und vervollständigte mein Wissen, indem ich mehrere Bücher zum Thema las und mir stundenlang Filme und Serien anschaute.

 

Neben deinem Talent entscheidet vor allem deine gründliche Recherche darüber, ob dein Buch erfolgreich wird oder nicht

 

Kurzum: Selbstverständlich schaffst du dir beim Schreiben deine eigene Welt, aber gebe dich nicht der Hoffnung hin, es mit einem naiven und ahnungslosen Publikum zu tun zu haben. Wenn deine Leser mehr zum Thema wissen, über das du schreibst, dann hast du ehrlich gesagt schon verloren. Prüfe also deine Ressourcen und schreibe nur über das, wovon du wirklich Ahnung hast. Oder aber besorge dir die nötigen Informationen bestenfalls von der Quelle. Nimm dir die Zeit und lies Fachbücher, befrage die richtigen Leute und hole dir Feedbacks bei den Menschen, die sich wirklich auskennen. Es bringt wenig, bei Facebook eine Umfrage zu starten, wie viele Minuten es braucht, bis man bei einem Stich in die Bauchaorta verblutet ist. Erstens könnte das BKA auf dich aufmerksam werden. Zweitens sammelt sich garantiert ein buntes Potpourri gefährlicher Halbwahrheiten, die dich allesamt nicht weiterbringen.

 

„Jeder anständige Autor muß auf jeder nur denkbaren Stufe sein Publikum respektieren und darf ihm darum nur das subjektiv Beste vom Besten bieten.“

Kurt Tucholsky (1890-1935), dt. Schriftsteller

 

5. Das Lektorat

Gerade im Selfpublisher-Bereich ist die Frage sehr umstritten, ob ein Lektorat oder zumindest eine Korrektur notwendig ist. Warum eigentlich? Weil es billiger ist ohne? Wer nach dem Motto „Geiz ist geil“ denkt und handelt, darf sich nicht wundern, wenn sein Buch in der Ramschkiste landet. Selbstverständlich möchte ich dir nicht absprechen, perfekt und fehlerfrei formulieren zu können. Erfahrungsgemäß trifft das aber leider auf die wenigsten unter uns zu. Auch ich als Hybrid (Lektor/Autor) lasse meine Bücher gegenlesen. Weniger wegen der Fehler, die sich naturgemäß in jedem Manuskript finden, sondern vielmehr deshalb, weil uns im Zentrum unseres Schaffens der Blick von außen fehlt. Genau wie du bin auch ich von mir und meinem Werk überzeugt. Logisch! Sonst würden wir unsere Zeit mit anderen Dingen verbringen, als stunden-, nächtelang vor dem Laptop zu kleben. Und doch sehen vier oder gar sechs Augen mehr als zwei.

 

Im Zentrum unseres Schaffens fehlt uns der Blick von außen

 

Wenn selbst die erfolgreichen Autoren auf Lektorat und Korrekturservice zurückgreifen, sollte sich jeder Selbstverleger erst recht jemanden suchen, der seine Texte überarbeitet. Natürlich gibt es ein gutes Lektorat nicht kostenlos. Aber mal ehrlich: Was ist umsonst? Und selbst wenn du jemanden findest, der dein Manuskript gratis liest: Ist das dann tatsächlich das Gelbe der Banane oder nur ein fragwürdiger Kompromiss? Wenn du dir in den Kopf gesetzt hast, erfolgreich mit dem zu werden, was du tust, dann investiere auch in dein Unternehmen! Stell dir vor, du möchtest nicht Autor, sondern Bildhauer oder Musiker werden. Was brauchst du? Genau! Zumindest das nötige Equipment: Werkzeug, Material, ein Instrument. Als Autor reicht dir hingegen ein Notizblock und ein alter Laptop. Vor diesem Hintergrund sollte dir die Vorstellung, für ein Lektorat ein paar hundert Euro auszugeben, nicht mehr so gewaltig vorkommen. Und letztlich hast du als Sprachschaffende(r) auch eine gewisse Verantwortung gegenüber der Sprache und natürlich deinen Lesern. Ich bin mir ziemlich sicher, dass viele Bücher (vor allem E-Books) gar nicht erst gelesen, geschweige denn gekauft werden, nur weil schon auf der ersten Seite oder im Klappentext Fehler auftauchen und/oder der Text einfach schlecht formuliert ist.

 

Ein gutes Lektorat ist kein Streichelzoo!

 

Du bist natürlich von deinem Buch begeistert, dein Umfeld selbstverständlich auch. Aber lass dich bitte nicht vom überschwänglichen Lob deiner Oma, Mutter oder Freundin täuschen. Sie lieben dich und stehen hinter dir (meistens jedenfalls). Insofern werden sie dir Mut zusprechen, vielleicht ein paar Kleinigkeiten kritisieren. Aber reicht das? Reicht dir das wirklich? Wäre es nicht viel besser, wenn ein Profi deinen Text überarbeitet, der den Duden quasi auswendig, die Feinheiten des Schreibens sowie die Branche kennt? Denn zu einem Lektorat gehört weit mehr, als nur den Text unter qualitativen Gesichtspunkten zu begutachten und zu korrigieren. Ein guter Lektor denkt und fühlt sich in deine Geschichte hinein, hat ein Gespür für Logik und Abläufe und hilft dir dabei, mit deinen Lieblingswörtern etwas sparsamer umzugehen. Er betrachtet dein Werk von außen, neutral und professionell.

 

Du solltest dir also darüber im Klaren sein, dass ein Lektor dir schonungslos deine Fehler aufzeigen wird. Denn genau das ist sein Job. Für Bauchpinseleien, Daumendrücken, Motivation und Kuscheleinheiten ist dein persönliches Umfeld oder deine Community zuständig. Dein Lektor ist dafür da, mit dir gemeinsam hart und ergebnisorientiert an deinen Texten zu arbeiten – alles andere ist ehrlich gesagt Kindergarten. Denn am Ende zählt das Ergebnis. Bist du zart besaitet oder aber so von dir überzeugt, dass du nicht in der Lage bist, konstruktive Kritik anzunehmen, dann wirst du es schwer haben, einen Lektor zu finden – zumindest einen, der aus deinem Buch das Beste herausholen kann. Unsere Zunft hat nämlich auch ihren Stolz. Deshalb lehne ich Aufträge konsequent ab, wenn sich die Zusammenarbeit auf Streicheleinheiten beschränken soll und mein Schaffen ausschließlich als abrechenbare Dienstleistung angesehen wird. Mein Name in einem Buch verstehe ich als Gütesiegel. Mit meinem Lektorat leiste ich einen (mal mehr – mal weniger) entscheidenden Beitrag dazu, dass aus einem blassen Kiesel ein funkelnder Diamant wird (auch wenn der Vergleich etwas hinkt). Dies mache ich gewissenhaft, mit viel Liebe zum Detail und auch gerne mal in ein bis drei Nachtschichten oder im Urlaub. Merke ich jedoch, dass der Autor/die Autorin meine Arbeit nicht respektiert, beratungsresistent (weil außerordentlich arrogant) ist und schlimmstenfalls meine Überarbeitungen still ignoriert, bin ich nicht bereit, ebenjenes Gütesiegel zu vergeben.

 

Folgende Punkte solltest du dir bewusst machen:

  • selbst die erfahrensten Autoren lassen ihre Texte professionell überarbeiten;
  • das Lob eines dir nahestehenden Menschen ist nett, aber nicht konstruktiv;
  • im Zentrum deines Schaffens fehlt dir der Blick von außen; 
  • Qualität hat immer auch einen Wert (Preis); 
  • schlechte Texte werden nicht gelesen; 
  • ein Lektorat ist ein Gütesiegel, kein Streichelzoo;

 

Bevor du dir einen Lektor suchst, stell dir die folgenden Fragen:

  • Kannst du es ertragen, wenn dir jemand sagt, was du besser machen kannst?
  • Bricht dir schon bei der Vorstellung, dass ein Fremder deinen Text überarbeitet, der Schweiß aus? 
  • Kannst du vertrauen und Regeln akzeptieren? Oder sagst du dir: Mir doch egal, ich finde die Schreibweise so aber viel schöner. 
  • Willst du dazulernen oder weißt du schon alles? 
  • Möchtest du überhaupt, dass dein Buch erfolgreich wird? 
  • Warum schreibst du: weil du etwas zu sagen hast oder dich lediglich profilieren möchtest?

 

Meilensteine des Lektorats

 

Lektor ist kein Ausbildungsberuf, wie etwa Zahnarzthelferin oder Fliesenleger. Jeder aus unserer Zunft wird höchstwahrscheinlich etwas anders arbeiten, doch die Schwerpunkte unserer Tätigkeit unterscheiden sich kaum. Insofern kann ich nur bedingt für die Allgemeinheit der Lektor/innen sprechen. Deshalb stelle hier kurz dar, wie es bei mir im Lektorat in der Praxis aussieht. Der Einfachheit halber stellen wir uns jetzt gemeinsam vor, dass deine Anfrage bei mir eingetroffen ist.

 

Das Warm up

 

Bevor es um die Überarbeitung  deines Gesamtwerkes geht, sollten wir im Vorfeld klären, ob wir überhaupt zueinander passen. Ob in einem persönlichen Gespräch, am Telefon oder via E-Mail tauschen wir kurz unsere Vorstellungen aus, besprechen deinen und meinen Zeitplan sowie die finanziellen Aspekte. Manche Lektoren rechnen übrigens nach Stunden ab, ich bevorzuge hingegen einen Wortpreis, der den Arbeitsaufwand meinerseits weitaus fairer bemisst, oder aber einen Pauschalpreis. Doch zurück zum Warm up. Sollte die Chemie so überhaupt nicht stimmen, ist es für beide Seiten besser, wenn wir hier direkt abbrechen. Meiner Erfahrung nach bringt eine Zusammenarbeit nichts, wenn keine Basis vorhanden ist. Bist du beispielsweise der Meinung, die Überarbeitung deines Buches wäre an einem Wochenende zu schaffen, dann nimm bitte gar nicht erst Kontakt zu mir auf. Solltest du andererseits hart und geduldig an deinem Werk arbeiten wollen und den Anspruch haben, dass dein Buch etwas Wertvolles und Einzigartiges ist beziehungsweise werden soll, dann steht meine Tür immer für dich offen.

 

Die Wehen

 

Die Entstehung eines Buches vergleiche ich gern mit einer Schwangerschaft und der darauffolgenden Geburt eines Kindes. Natürlich haben wir weitaus weniger Schmerzen dabei. Und doch tragen wir vom ersten Augenblick an Verantwortung, haben Ängste auszustehen, mit Zweifeln zu kämpfen, sind gestresst, furchtbar sensibel und irgendwann maßlos stolz sowie überglücklich. Außerdem entwickeln wir beim zweiten, dritten Buch eine gewisse Routine. Wir sind mit der Zeit nicht mehr so ängstlich, weil wir wissen, was uns erwartet, und doch bleiben die Anstrengungen und natürlich das Glück, wenn wir es wieder einmal geschafft haben.

 

Einer der schwersten Augenblicke ist nach meiner Erfahrung, unser „Baby“ das erste Mal aus der Hand zu geben. Deshalb habe ich großes Verständnis dafür, wenn du mir nicht auf Anhieb vertraust. Vielleicht gerade weil ich selbst Autorin bin, fragst du dich, ob deine Texte bei mir sicher sind. An diesem Punkt liegt es mir fern, dich zu überreden. Natürlich könnte ich von der Einhaltung des Urheberrechts sprechen und davon, dass ich froh wäre, wenn ich endlich die Fülle meiner eigenen Ideen zu Papier bringen könnte. Überzeugen kann ich dich also nicht, aber gegebenenfalls ein stückweit deine Befürchtungen mildern. Auf Anfrage überarbeite ich gern eine Normseite (1.500 Zeichen) gratis und gebe eine kleine Einschätzung ab.

 

Wenn wir uns einig sind und es zeitlich bei mir passt, kann es auch schon losgehen.

 

Der Überblick

 

Damit wir beide wissen, worum es geht, lese ich zu allererst das komplette Manuskript. Sollte ich aus irgendwelchen Gründen Bauchschmerzen haben, lehne ich den Auftrag ab. Es entstehen dir keine Kosten. Aber keine Panik, bisher habe ich nur ein einziges Mal die Zusammenarbeit vorzeitig beendet. Sollte dein Text noch einige Lücken oder auch Fehler aufweisen, ist das absolut kein Beinbruch. Jedes Manuskript hat Wachstumsbereiche, sonst wäre das Lektorat schließlich überflüssig. Jedoch solltest du dir darüber im Klaren sein, dass es wenig Sinn hat, wenn du deine erste Rohfassung beim Lektorat deiner Wahl einreichst. Ein bisschen mehr brauchen wir schon. Denn schließlich sind wir Lektoren für den letzten Feinschliff zuständig, nicht für das Ghostwriting. Insofern solltest du dein Buch bereits überarbeitet, die Skizze also auf eine große Leinwand gebracht und mit ausreichend Farben versehen haben. (Näheres dazu findest du in Kapitel 3 und 6.)

 

Sobald ich mit der ersten Lesung fertig bin, sollten wir uns bestenfalls persönlich oder aber am Telefon ausführlich über dein Werk austauschen. Denn für die Überarbeitung möchte ich mich bestmöglich in deinen Text einfühlen und deshalb einiges über deine Hintergründe erfahren. Warum hast du dieses Genre gewählt? Was willst du mit deinem Buch bewirken? Wie bist du auf deine Geschichte/Protagonisten gekommen? Bei einem Mehrteiler interessiert mich zudem die Rahmenhandlung und natürlich dein Zeitplan.

 

Das Lektorat/Die Korrektur

 

Da ein gewisses Grundvertrauen quasi die Voraussetzung im Lektorat bedeutet, bin ich nicht bereit, jedes Komma und jede orthographische Korrektur mit dir zu besprechen. Hingegen mache ich jeden größeren Eingriff in den Inhalt deines Textes selbstverständlich kenntlich und/oder anhand von Kommentaren deutlich, was unschlüssig ist beziehungsweise verbessert werden könnte. Deshalb solltest du dich grundsätzlich in der Textverarbeitung auskennen und diese vor allem anwenden. Es bringt nichts, wenn ich aufwändig 500 Seiten im Überarbeitungsmodus beackere, am Rand Notizen mache … und du davon nichts siehst, weil du weder mit MS_Word noch mit einer Open-Office-Anwendung arbeitest. Alle PCs verfügen heute über entsprechende Textverarbeitungssoftware. Abgesehen davon gehört es einfach zu unserem Handwerk, zumindest halbwegs zu wissen, was ein Absatzformat ist und wo ich den Menüpunkt „Überarbeiten“ finde. Wenn du davon noch absolut keine Ahnung hast, empfehle ich dir einen entsprechenden Kurs an der Volkshochschule oder im Internet. Kleinigkeiten kann ich dir auch gern erklären, aber das Grundlagenwissen kann und will ich dir nicht beibringen. Denn meine Aufgabe ist – wie gesagt – die Überarbeitung deiner Texte.

 

Je nach Qualität und Länge deines Manuskriptes benötige ich zwischen zwanzig und einhundert Arbeitsstunden für die erste Überarbeitung. Damit ich nicht betriebsblind werde, überarbeite ich maximal fünfzig Seiten pro Tag, wenn die Deadline ruft, sind es auch gelegentlich mehr. Während dieser Zeit ist es sinnvoll, wenn wir in Kontakt stehen, um etwaige Differenzen in punkto Ablauf, Nachvollziehbarkeit und Dramaturgie zu besprechen. In der Regel reicht hier der Austausch via E-Mail, WhatsApp etc. aus, zumal wir damit orts- und zeitunabhängig arbeiten können. Im Anschluss schicke ich dir die überarbeitete Datei zurück. Dann bist du wieder dran und kannst meine digitalen Änderungen entweder annehmen oder ablehnen und darüber hinaus meine Kommentare berücksichtigen. Hierfür solltest du genügend Zeit einplanen, um alles in Ruhe durchgehen zu können. Wir reden also nicht von einem flüchtigen Drüberlesen, sondern der Fertigstellung deines Buches, von dem du so lange geträumt hast.

 

Ein gutes Buch ist wie ein guter Wein. Je mehr Sorgfalt und Zeit man ihm gibt, desto besser ist das Ergebnis

 

Sobald du alle Änderungen gewissenhaft eingearbeitet und gegebenenfalls weitere Ideen einfließen lassen hast, bin ich noch einmal dran. Jetzt könntest du damit beginnen, den Tag der Veröffentlichung bekannt zu geben. Denn jetzt dauert es nicht mehr lange, bis dein Manuskript tatsächlich fertig ist. Zur letzten Überarbeitung meinerseits gehört das abschließende Korrekturlesen, welches übrigens auch den Klappentext beinhaltet. Wenn die Muse dich jetzt noch einmal küsst und ein genialer Einfall unbedingt mit ins Buch soll, dann wäre jetzt die letzte Möglichkeit. Ist auch die finale Korrektur erledigt, übersende ich dir deinen Text und meine Rechnung. Natürlich ist meine Arbeit damit noch nicht getan. Schließlich will ich hautnah dabei sein, wenn dein Baby endlich das Licht der Leserwelt erblickt, möchte die ersten Rezensionen lesen und mit dir gemeinsam glücklich darüber sein, etwas Einzigartiges geschaffen zu haben. Na, wie fühlt sich das an? 

 

6. Die Überarbeitung

Die Überarbeitung ist der Hauptbestandteil des Schreibens und beansprucht weit mehr Zeit und Mühe als das Niederschreiben der Rohfassung. Und selbst wenn du ein Lektorat in Anspruch nimmst, ist ebenjene Überarbeitung zu mindestens achtzig Prozent dein Job. Es ist ja auch dein Manuskript. Dein Buch. Wer in seinem irrwitzigen Glauben an den schnellen Erfolg denkt, dass es ausreicht, mal eben ein paar Wörter aneinanderzureihen, der täuscht sich gewaltig und ist meiner Meinung nach auch völlig falsch in diesem Metier. Die Unart, Texte lieblos und schnell hinzurotzen, wird leider immer mehr zum Usus in der Gemeinde der Sprachschaffenden. Selbst so mancher namhafte Autor vergisst über die Quantität leider zunehmend die Qualität. Dies schlägt sich jedoch relativ schnell in Rezensionen und Verkaufszahlen nieder. Unsere Leser sind anspruchsvoll, und das ist auch gut so.

 

Nur weil jeder ein Buch veröffentlichen kann, ist längst nicht jeder dazu in der Lage, ein Buch zu schreiben

 

Ich weiß, das klingt jetzt arrogant. Und du fragst dich womöglich: Was erzählt die denn da? Geschmäcker sind schließlich verschieden. Natürlich! Doch wie geschmacklos muss man sein, um solche Sätze schön zu finden: „Er hob den Blick in den Himmel und dachte an XX. Dann senkte er den Blick und seufzte. Auch XXs Blick ging in den Himmel, ehe er seinen Freund anblickte und sagte ...“  Zugegeben, etwas übertrieben. Aber so oder so ähnlich schreiben selbsternannte Autoren und wundern sich dann, dass kaum jemand ihr Buch kauft – geschweige denn Freude am Lesen hat. Oft liest man in Rezensionen: „Es ist schließlich ihr/sein erstes Buch.“ Ja, und? Selbstverständlich lernen wir alle, während wir schreiben. Wenn ich heute immer mal wieder in „KLIPP KLAPP – und du bist tot“ hineinschaue, freue ich mich zwar über viele Formulierungen. Dennoch würde ich - zwei Jahre später - einiges anders schreiben. Und warum nicht? Schließlich entwickeln wir quasi im kalten Wasser unsere Fähigkeiten. Dennoch sollte auch und vor allem dein Debüt mehr sein, als nur eine gewisse Anzahl von Buchstaben.

 

Der deutsche Wortschatz in der Gegenwartssprache wird vom Duden auf 300.000 bis 500.000 Wörter geschätzt. Aktiv verwenden wir beim Sprechen schätzungsweise 12.000 bis 16.000 Wörter (davon etwa 3.500 Fremdwörter). Wie du siehst, kann die Differenz zwischen dem gesprochenen und geschriebenen Wort gewaltig sein. Naturgemäß verwenden wir immer dieselben Redewendungen und Vokabeln, während wir uns unterhalten. Und genau hier liegt der Unterschied zwischen Kommunikation und Kunst. Ein Maler verwendet schließlich auch nicht nur die Grundfarben für seine Werke. Und die Herausforderung ist hier noch sehr viel größer, da der Mensch bis zu 20 Millionen Farben wahrnehmen kann.

 

Der Unterschied zwischen Kommunikation und Kunst

 

Die Schlussfolgerung liegt also nahe: Der Unterschied zwischen Kommunikation und Kunst liegt darin, nicht nur etwas zu sagen, sondern zu beschreiben. Wer hier seine Schwierigkeiten hat, sollte sich Kapitel 1 noch einmal anschauen und überlegen, ob die Belletristik tatsächlich das Richtige ist. Sach- oder Drehbuchautoren müssen keine Situationen beschreiben, sondern lediglich Sachverhalte schildern. Und so wirst du als Romanautor/in deine Leser nicht hinter dem Ofen hervorlocken, wenn du schreibst: „Er lag auf dem Bett und schlief.“

 

Wie bereits weiter oben erwähnt, solltest du spätestens während der Überarbeitung deines Textes daran denken, sowohl Adjektive als auch Synonyme bewusst und reichhaltig zu verwenden. Wir erinnern uns: die Rohfassung ist lediglich die Skizze, erst beim Überarbeiten formst du deine Geschichte, sorgst für Feinheiten in der Beschreibung deiner Charaktere und entsprechender Situationen. Und je mehr Farben du verwendest, desto imposanter wird das Ergebnis sein. Bleiben wir bei dem Satz „Er lag auf dem Bett und schlief.“ Wie könnte man diesen Satz so umformulieren, dass der Leser eine Ahnung davon erhält, welche Umstände dazu führten, dass hier jemand auf einem Bett liegt? Je nach Genre und Situation ist die Palette der „Füllwörter“ umfangreich. Würde die Szene in einem Fantasy-Roman spielen, könnte sie vielleicht so schöner klingen: „Das fahle Licht des Mondes ließ für einen winzigen Augenblick das Gesicht des Mannes erkennen, der dort schmutzig und blutverschmiert auf dem blütenweißen Damast lag. Auf einem Bett, das nicht sein eigenes war. Der Zeitraum eines Wimpernschlages reichte aus, um zu erkennen, dass er nicht tot war. Der kleine Leberfleck über seinem sinnlichen Mund zuckte. Frau Luna schickte einen weiteren Strahl bizarren Lichts, das sich auf einem Tropfen des dunkelroten Labsals niederließ, welches ihm als Nahrung diente. Nein, er war nicht tot. Er schlief.“

 

Wenn du Lust hast, versuche eine bessere Formulierung. Die Kunst liegt in erster Linie darin, seine Phantasie zu entfesseln und sich in die Situation hineinzuversetzen. Fühle, rieche, schmecke und nutze all deine Sinne. Denn das Schreiben ist ein emotionaler Akt. Während ich seinerzeit die Szenen schrieb, die bei „KLIPP KLAPP – und du bist tot“ in der Rechtsmedizin spielen, war es draußen über 30 Grad heiß. Trotzdem fror ich. Verstehst du, was ich meine? Während du eine Szene formulierst, wie das Opfer vom Mörder gejagt wird, sollte auch dein Herz klopfen. Und damit auch das deiner hoffentlich zahlreichen Leser laut schlägt, nutze den riesigen Wortschatz, der uns Autoren zur Verfügung steht. Erwecke deine Figuren zum Leben, indem du die richtigen Farben verwendest. Fertige dir im Laufe der Zeit zwei Listen an. Die eine sollte Adjektive enthalten, die du bestenfalls nach Szenen und Genre gliederst. Für blutrünstige Horrorstorys benötigst du selbstredend andere Beschreibungen als für einen Liebesroman oder ein Kinderbuch. Außerdem ist es sinnvoll, wenn du dir all deine „Lieblingswörter“ aufschreibst und dafür entsprechende Alternativen findest. Es hat nichts mit künstlerischer Freiheit zu tun, wenn Du in einem 350-Seiten-Manuskript das Wort „Augenblick“ einhundertsiebenundfünfzig Mal verwendest. Textverarbeitungsprogramme aber auch bestimmte Internetseiten bieten dir den Service der Synonym-Suche (z.B. www.synonyme.de).

 

Hab Spaß am Schreiben, denn der Weg ist das Ziel!

 

Auch auf die Gefahr hin, mich zu wiederholen: Gib dich bitte nicht der Hoffnung hin, dass du über Nacht zum Star avancierst, nur weil du ein Buch veröffentlichst. Da dies heute quasi jeder kann, ist nicht nur die Konkurrenz riesig, der Markt ist auch weitgehend gesättigt. Ähnlich wie in anderen Branchen haben wir es auch hier mit einem Verdrängungsmarkt zu tun. Das Geheimnis liegt deshalb in der Produktdifferenzierung oder einfacher ausgedrückt: Je individueller deine Ideen, je höher die Qualität deiner Texte, desto mehr Menschen werden dein Buch kaufen, lesen, lieben. Deshalb solltest du deinen Weg und das Schreiben selbst bereits als Erfüllung betrachten. Es ist nicht verwerflich, über einem Satz mehrere Stunden oder gar Tage zu brüten. Denn das macht das Schreiben aus. Alles andere wäre nur Tippen. Insofern ist es allemal besser, wenn du dir für die Überarbeitung deines Textes ein ausreichend großes Zeitfenster einplanst. Erfahrungsgemäß hat ein motivierter Autor die Rohfassung in einigen Wochen runtergetippt. Eine gute Überarbeitung dauert um ein Vielfaches länger. Wenn wir noch einmal zum Beispiel des Malers zurückkommen: Die Idee eines Gemäldes ist schnell skizziert. Wirklich aufwändig und zeitintensiv ist das „Ausmalen“.

 

Leselust und Spannung erzeugst du mit Struktur

 

Und noch ein anderer Aspekt ist ausschlaggebend für die Überarbeitung deines Textes: die Struktur. Wir alle haben im Deutschunterricht gelernt, dass sich ein Text aus der Einleitung, dem Haupt- und Schlussteil zusammensetzt. Nun wollen wir hier keine Interpretation durchführen, sondern die Quelle einer solchen verfassen. Was braucht es also, damit deine Leser von der ersten bis zur letzten Seite gefesselt bleiben? Gerade bei den derzeit beliebten Mehrteilern beziehungsweise Buchreihen ist es nicht ganz leicht, den Spannungsbogen aufrecht zu erhalten, ohne zu viel zu verraten. Aber selbst bei kürzeren Abhandlungen sollte sich am Ende der berühmte Kreis schließen. In diesem Zusammenhang fragte mich neulich eine Kundin, welchen Tipp ich ihr diesbezüglich geben könne. Beim Überarbeiten einer ihrer Sachtexte war mir selbstverständlich aufgefallen, dass sie sich beim Schreiben irgendwie verloren hatte. Ich versprach ihr, die Frage in diesen Ratgeber aufzunehmen und bestmöglich zu beantworten. Allerdings ist das gar nicht so leicht. Ich überlegte ehrlich gesagt relativ lange, wie ich etwas erklären soll, was ich (jedenfalls meistens) unbewusst tue. Kennst du das Gefühl des Glücks, wenn du dein Manuskript das vierte Mal liest und merkst, dass sich die Puzzleteile tatsächlich von selbst zusammengefügt haben? Ja? Nein?

 

Die Dramaturgie einer (Ab-)Handlung ist meines Erachtens nicht vergleichbar mit dem berühmten Spannungsbogen - also einer Kurve oder linearen Funktion, sondern vielmehr mit einem Kreis. Während eine Kurve einen klar definierten Anfang besitzt, dessen Ende gegebenenfalls ins Unendliche auslaufen kann, finden sich beim Kreis Anfang und Ende irgendwann wieder. Der Handlungsstrang trifft also zwangsläufig auf seinen Ursprung. Darüber hinaus ist es möglich, die Geschichte in mindestens zwei Richtungen nachzuvollziehen - egal, an welchem Punkt man sich gerade befindet. Man kann also in der Erzählung nicht nur zurück- oder vorwärtsgehen, sondern steckt in einem geschlossenen Kreislauf, der es insofern unmöglich macht, sich zu verlieren. Vergleichen wir eine Handlung mit der analogen Uhr, so beginnen wir um eins mit dem Erzählen, also mit der Einleitung. Entscheidend sind die ersten Seiten eines Buches, aber das weißt du sicherlich längst. Wir alle waren schon einmal auf der Suche nach einem guten Buch. In einer Buchhandlung nehmen wir das eine oder andere Exemplar in die Hand. Ist das Cover langweilig, lassen wir es liegen. Macht es uns hingegen neugierig, werfen wir einen Blick auf den Klappentext und lesen bestenfalls die ersten zwei Seiten. Haut uns die Geschichte nicht vom Hocker, legen wir es beiseite und widmen uns dem nächsten Buch.

 

Du hast nur wenige Zeilen, um das Interesse deiner Leser zu wecken

 

Gibt es also auf den ersten Zeilen deines Buches oder Kurztextes keinen BAM-Effekt, kannst du dich nur auf das Wohlwollen deiner Empfehlungsgeber verlassen. Es gibt diverse Möglichkeiten, diesen BAM-Effekt zu erzeugen. Entweder wählst du eine Knaller-Begebenheit aus der Mitte deiner Geschichte, etwa die morbide Denkweise des Täters. Oder aber du lässt deinen Protagonisten eine Streitfrage stellen beziehungsweise etwas ziemlich Ungewöhnliches tun. Dafür eignen sich sowohl das erste Kapitel als auch die Einleitung respektive der Prolog. Dieser könnte jedoch auch Schauplatz der Rahmenhandlung sein, die auf den ersten Blick nichts mit der eigentlichen Story zu tun hat. Allerdings ist hier äußerste Vorsicht geboten. Finden sich für den durchschnittlich intelligenten Leser hier keine Zusammenhänge, könnte diese Idee auch nach hinten losgehen.

 

Auch beim zweiten Kapitel (also gegen zwei Uhr) solltest du immer daran denken, dass dir nur wenige Zeilen bleiben, um deine Leser zu begeistern und zum Weiterlesen zu animieren. Hierzu habe ich einen schönen Spruch in einem wirklich tollen Buch von Joël Dicker „Die Wahrheit über den Fall Harry Quebert“ (ISBN 978-3-492-30550-1) gefunden, welches mir eine Freundin neulich geschenkt hat. 

Über den gesamten Hauptteil (von drei bis zehn) solltest du deine Handlungsstränge so knüpfen, dass sie sowohl zum Anfang als auch zum Ende des Buches passen. Logisch! Sagt sich so leicht. Fertige dir eine Skizze an, in der du die wichtigsten Punkte deiner Geschichte festhältst und prüfe während der Überarbeitung, ob die Art und Weise deines Aufbaus tatsächlich sinnvoll, schlüssig und spannend ist. Und mit „spannend“ meine ich nicht ausschließlich die Struktur eines Kriminalromans oder Thrillers. Jedes Buch muss heute spannend sein. Selbst wenn es das Liebesleben der Geometridae zum Thema hat.

 

Prüfe, ob dein Text sinnvoll, schlüssig und spannend ist

 

Und das Wichtigste kommt natürlich zum Schluss. (Der kleine Zeiger unserer imaginären Struktur-Uhr befindet sich jetzt irgendwo zwischen neun und elf.) Egal, ob dein Text drei oder dreihundert Seiten lang ist, solltest du am Ende immer wieder zum Anfang zurückfinden. Der Schlussteil eines Textes spiegelt also in gewisser Weise den Ursprung wider, beantwortet Fragen, die im Verlaufe der Handlung gestellt wurden, oder wirft sogar neue auf. Hierzu dient in den meisten Fällen der Epilog. Fassen wir also zusammen: Auch wenn der Kreis unendlich ist, trifft – bezogen auf die Struktur eines Textes – der Handlungsstrang irgendwann zwangsläufig auf seinen Ursprung. Darüber hinaus ist es möglich, die Geschichte in mindestens zwei Richtungen nachzuvollziehen - egal, an welchem Punkt man sich gerade befindet. Beachte die Struktur von Einleitung, Haupt- und Schlussteil. Überlege dir, ob du deinen Prolog und Epilog tatsächlich so formuliert hast, dass auch ein weniger versierter Leser versteht, worum es geht. Und – last but noch least – empfehle ich dir folgendes Schema, welches du entweder im Hinterkopf abspeicherst oder aber bestenfalls als Skizze nutzt, um dich nicht zu verlieren. 

Im oben genannten Roman habe ich übrigens einen weiteren wunderbar formulierten Aspekt gefunden, den du während der Überarbeitung deines Manuskriptes beachten solltest. In der Geschichte geht es um einen Schriftsteller, der unbedingt ein Meisterwerk schreiben möchte. Er hat das große Glück, einen Bestseller-Autoren und Literaturprofessor als Tutor zu haben, der ihn davon abbringt, zwanghaft nach Inspiration zu suchen. Nun kann ich mit dir nicht in den Boxring steigen und dich das Fallen lehren. Jedoch kann ich dir die folgenden Zeilen ans Herz legen und hoffen, dass du sie für dich nutzen kannst …

Wenn du krampfhaft etwas versuchst, wird es beim Krampf des Versuches bleiben. Das Geheimnis, eine Schreibblockade zu überwinden, ist das Loslassen. Erinnerst du dich an meinen Vergleich, dass die Schaffung eines Romans wie die Geburt eines Babys ist? Ich gehe sogar noch weiter. Ein Roman ist wie ein Mensch. Er wird geboren und wächst im Laufe seines Lebens. Wahre Perfektion wird er allerdings nie erreichen. Und so ist es müßig zu glauben, dass dein Buch tatsächlich die wahre Vollkommenheit erfährt. Kein Buch ist perfekt, sondern lediglich irgendwann so weit gewachsen, dass es in die Welt hinausgeschickt werden kann.

 

Lass dein Manuskript „reifen“!

 

Doch bevor du die Entscheidung triffst, dein Manuskript ins Lektorat zu geben oder gar zu veröffentlichen, lass es „reifen“. In Kapitel 5 habe ich mit dem Satz „Ein gutes Buch ist wie ein guter Wein.“ versucht zu beschreiben, dass Qualität nicht nur einen Wert hat, sondern vor allem Zeit braucht. „Je mehr Sorgfalt und Zeit man ihm gibt, desto besser ist das Ergebnis.“ Insofern solltest du dir selbst einen Gefallen tun und dein Manuskript bestenfalls in ausgedruckter Form an einem ruhigen Ort deponieren. Gib ihm und dir Zeit und nutze diese nicht etwa, um dich sofort dem nächsten Projekt zuzuwenden. Ganz im Gegenteil! Gönn dir eine Atempause und stell dir vor, du würdest eine Pflanze züchten. Was würde passieren, wenn du den Keimling alle drei Tage aus seinem warmen Bett zerrst, nur um zu schauen, ob er genügend Wurzeln entwickelt hat? Eben! Auch wenn es dir schwerfällt, lass deinen Text ein paar Wochen liegen. Hast du noch einen genialen Einfall? Dann notiere ihn. Tauchen Fragen auf? Dann beantworte sie. Aber warte mit der Einarbeitung in deinen Text. Erst, wenn du merkst, dass du dich emotional ein stückweit gelöst hast und nicht mehr jede Nacht davon träumst, hole ihn wieder hervor. Und auch dann lass die Finger davon, sondern versuche lieber einen Perspektivwechsel. Lies nicht am Laptop oder in der Papierfassung. Speichere die Datei als PDF und kopiere sie auf ein anderes Gerät, mit dem du nicht schreiben, sondern lediglich lesen kannst. Versetze dich so in die Lage deiner Leser und beurteile dein Buch quasi von außen. Lies auf deinem Smartphone, Tablet-PC oder E-Book-Reader. Du wirst merken, dass es ein völlig anderes Erlebnis sein wird.

 

Ändere die Perspektive und versetze dich in die Lage deiner Leser

 

Wenn du am Ende deines Buches angekommen bist, dann ist der richtige Zeitpunkt, die digitale Fassung wieder hervorzuholen und etwaige Änderungen vorzunehmen. In der Regel haben sich einige deiner Ideen bereits in Wohlgefallen aufgelöst oder aber neue sind entstanden. Solltest du mehr als ein paar Wörter ändern, lies dein Buch noch einmal. Es ist keine Schande, wenn ein Autor sein Manuskript fünf oder sechs Mal liest, bevor er es veröffentlicht. Übrigens auch nicht die völlig überwältigte Frage: Hab tatsächlich ICH dieses Buch geschrieben?

 

Die weiteren Kapitel folgen in Kürze ...

7. Die Veröffentlichung

8. Das Marketing

9. Deine Erfolge

10. Alles Gute braucht seine Zeit

Buch-Tipps:

Wort für Wort - oder Die Kunst, ein gutes Buch zu schreiben

Talent, Leidenschaft und Disziplin – das sind laut Elizabeth George die drei Eigenschaften, ohne die eine literarische Karriere nicht denkbar ist. In diesem faszinierenden Buch beweist die Bestsellerautorin George, dass sie nicht nur über profunde Einblicke in das Handwerk des Schreibens verfügt, sondern dieses Wissen auch so anschaulich und unterhaltsam vermitteln kann, wie es nur eine große Geschichtenerzählerin zu tun vermag …
 

Das Leben und das Schreiben: Memoiren

"Dieses Buch ist ein Versuch, kurz und bündig darzulegen, wie ich zu dieser Kunst kam, was ich inzwischen über sie weiß und wie sie gefertigt wird." 

Auch wenn Stephen King vielleicht nicht jedem gefällt, so ist er dennoch einer der erfolgreichsten Autoren unserer Zeit. Wer eignet sich also besser, wenn es um praxisnahe Schreibtipps geht, als der King selbst. 

 

Ein Buch über das Schreiben

Ein Debüt! Tatsächlich? Hier hat jemand nicht nur gekleckert, sondern geklotzt. Joel Dicker verknüpft gekonnt die Spannung eines Krimis mit den Spitzfindigkeiten eines Gesellschaftsromans und erklärt ganz nebenbei, wie man ein Meisterwerk schreibt ... oder eben nicht. Eine schöne Geschichte über das Schreiben mit viel Drumherum und praktischen Tipps für Autoren. 

 

 

Digital Publishing: Der "Keine Panik"-Leitfaden für Selfpublisher und alle, die es werden wollen.

Matthias Czarnetzki ist unabhängiger Autor und unterstützt andere Indie-Autoren dabei, den gleichen Respekt zu erlangen wie Indie-Musiker und Indie-Filmemacher. Über das Lesen, Schreiben und Verlegen bloggt er regelmäßig auf seiner Website mczarnetzki.de.

 

 

Alles über das Self-Publishing vom "Papst" persönlich!

Matthias Matting, der "Papst" des Self-Publishings! Er ist einer der erfolgreichsten deutschen Self-Publishing-Autoren, hat über 50 Bücher im Self-Publishing veröffentlicht und ist Autor des offiziellen Amazon-Bestsellers 2011.

Matthias Matting war Programmleiter eBook bei der Münchner Verlagsgruppe, hält heute Seminare an der Akademie der Bayerischen Presse und an der Online-Akademie Udemy, ist Vorsitzender des Selfpublisher-Verbandes und noch einiges mehr. Auf seiner Webseite und in seinem gleichnamigen Buch erfahrt ihr alles, was ihr über den Selbstverlag wissen müsst - von den Grundlagen, über Marketing bis zu Technik-Tools und den "Papierkram". 

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